Essen auf Rädern 11.10.2015, 10:20 Uhr

Online-Lieferdienste: Der Markt wächst weltweit

Das Geschäft mit der Auslieferung von Essen boomt, Lieferdienste machen mit Millionendeals auf sich aufmerksam. Ist der Hype gerechtfertigt?
(Quelle: Shutterstock/Ivan Baranov)
Von Susann Naumann
Fast eine halbe Milliarde Euro, genauer: 496 Millionen Euro - so viel liess sich die Start-up-Schmiede Rocket Internet die Beteiligung an Delivery Hero bisher kosten. Über den 2011 gegründeten Lieferdienst können Nutzer in 34 Ländern Essen online bestellen und sich dieses von Imbissen oder Pizzerien liefern lassen. Die deutschen Konkurrenten heissen Lieferheld.de und Pizza.de.
Rocket habe in Delivery Hero investiert, erklärte Geschäftsführer Oliver Samwer dem "Manager Magazin", weil das Geschäft mit Essenslieferungen einer der grössten Zukunftsmärkte überhaupt sei. Der Markt wächst weltweit. Umfragen zufolge lassen sich allein in Deutschland drei von vier Verbrauchern wenigstens gelegentlich warmes Essen liefern. Schätzungsweise 15 Millionen Essensbestellungen werden in Deutschland zugestellt. Tendenz: weiter steigend, auch weil gerade neue Lieferdienste in den Markt drängen, die nicht nur von Schnellimbissen und Pizzerien aus liefern, sondern sich auf Restaurants und die gehobene Gastronomie fokussieren. "Menschen verbringen etwa drei Jahre ihres Lebens mit Kochen und dem Aufräumen danach", begründet das Berliner Start-up Urban Taste das Wachstum. "Nur wenige empfinden das aber als Qualitätszeit." Die sinkende Lust selbst zu kochen, wird durch die steigende Zahl der Single-Haushalte sowie die ­Arbeitsverdichtung und den damit wachsenden Stress befeuert.
Dabei ist das Geschäft nicht neu: Essen auf Rädern etwa beliefert seit Jahrzehnten Senioren und Kranke. Die Pizza telefonisch zu bestellen und sich liefern zu lassen ist seit den 1980er-Jahren populär. Und das Internet vernetzt Essensanbieter, Lieferdienste und Verbraucher jetzt schnell und komfortabel. Start-ups wie Lieferando, Lieferheld oder Pizza.de leiten online Bestellungen an Partnergaststätten weiter, die dann die Zubereitung der Speisen und deren Auslieferung übernehmen.

Die neuen Lieferdienste kommen mit dem Rad

"Mit Lieferdiensten ist eine Menge Geld zu verdienen", sagt Jitse Groen, Geschäftsführer von Takeaway.com, das 1999 entstand und zu dem heute der deutsche Zusteller Lieferservice.de gehört. "Allerdings sollte man die Nummer eins auf dem Markt sein." Allein in Deutschland setzt das Gastgewerbe rund 40 Milliarden Euro um, immerhin mehr als 50 Millionen Menschen gehen ab und zu essen. Auf ein grosses Stück dieses Kuchens haben die Lieferdienste jetzt Appetit bekommen.
Doch um den Leckerbissen wird hart gekämpft: Neben neuen Playern wie Hungr oder Deliveroo mischen auch die bekannten Wettbewerber im Geschäft um Schweinebraten mit Sauerkraut oder Filetspitzen an Kürbiscreme mit. Delivery Hero hat eigens für Restaurants den Lieferdienst Urban Taste gegründet, der sich gerade mit der Konkurrenz Foodora vereint hat.
Im Unterschied zu ihren Vorläufern konzentrieren sich die neuen Dienste auf Restaurants, Szenegaststätten und die geho­bene Gastronomie. Oder, wie es Foodora-Mitbegründer Julian Dames ausdrückt: "auf die hippen und beliebtesten Läden der Stadt". Ausserdem bauen die Neuen auch noch eigene Lieferflotten auf. Speisen und Getränke werden mit Fahrrädern, E-Bikes oder Rollern ausgefahren, um im Stadtgetümmel schnell voranzukommen.
Zeit ist Geld: In diesem Gewerbe gilt dies besonders. Im Web oder auf dem Smartphone lassen sich Hungrige die angeschlossenen Restaurants anzeigen, wählen dort das Essen von der Karte aus und geben Lieferadresse und Zahldaten ein. Danach ­beginnt der Wettlauf mit der Zeit: Der ­Löwenanteil entfällt auf die Zubereitung der Speisen, doch damit diese frisch und ­lecker ankommen, muss sehr zügig gefahren werden. Foodora verspricht eine Lieferzeit von 30 Minuten, wobei 20 Minuten für das Kochen reserviert sind. Deliveroo kalkuliert mit durchschnittlich 32 Minuten.
Food Express nennt auf der Webseite ebenfalls 30 Minuten. Das Start-up sieht sich als Dienstleister für alle Hotel­küchen und Gastronomen, die einen zuverlässigen Partner für ihre Auslieferung benötigen. Dazu gehören die klassischen Lieferrestaurants wie Hallo ­Pizza ebenso wie traditionelle Lieferplattformen und neue Lieferdienste.
Was auf den ersten Blick simpel erscheint, die Logistik, ist in Wirklichkeit ein hartes Stück Arbeit. Ein Hauptteil der Millioneninvestments, die in die Lieferdienste flossen und jetzt wieder fliessen, verschlingt die Logistik. "Dieses Geschäft setzt eine perfekte Beherrschung der ­Logistik voraus", warnt Friedrich Georg Hoepfner, Unternehmer und Business Angel aus Karlsruhe: "Wer da patzt, zahlt drauf." Die Logistik ist ein Knackpunkt. Damit das warme Essen seine Restaurantqualität behält und Pommes frites oder andere Beilagen nicht matschig werden, sollte es innerhalb von 30 Minuten auf dem Tisch stehen. Foodora setzt ­dafür auf seinen selbst entwickelten Liefer-Algorithmus. Der soll die optimale Route zwischen ­Kurier, Restaurant und Gast berechnen. Auch Food Express will mit einer "eigens entwickelten und weltweit einzigartigen Tourenplanungssoftware" punkten und arbeitet ausserdem mit 800 Fahrern zusammen.
Das Programm ortet die Fahrer, die zur Verfügung stehen, und vergibt ­anhand der eingehenden Aufträge automatisch die effizienteste Fahrroute. "Wir müssen die Lieferlogistik ständig optimieren, um die Lieferzeiten weiter zu senken", lässt das Berliner Start-up wissen.



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