Hass-Postern 28.07.2016, 02:21 Uhr

Hass-Postern ist es egal, ob sie anonym bleiben

Hasskommentatoren verzichten im Netz häufig auf ihre Anonymität, sagt eine Studie. Portale, die aus diesem Grund auf Registrationspflicht bestehen, könnten sich sogar ins eigene Fleisch schneiden.
Hasskommentare im Internet werden mit der Aufhebung von Anonymität nicht weniger, sagt eine Studie der Universität Zürich. Die Auswertung von mehr als 500'000 sozialpolitischen Kommentaren aus rund 1'600 Online-Petitionen der deutschen Plattform www.openpetition.de zwischen 2010 und 2013 ergab, dass die Verfasser von Hasskommentaren, die unter ihrem vollen Namen posten, sogar häufiger sind als anonyme Hasskommentatoren. 
«Gemäss der gängigen Meinung enthemme Anonymität die Menschen bei offensichtlich unrechten Taten, weil sie ihre Selbstverantwortung abstreifen könnten und sie vor unmittelbaren Konsequenzen schütze», sagt eine der Autorinnen, Soziologie-Doktorandin Lea Stahel. Die Studie hat das Gegenteil bewiesen. Gemäss den Ergebnissen halten es viele Online-Hasser schlicht nicht für nötig, anonym zu sein. Anstatt rein persönliche Racheakte seien Hasskommentare oft Reaktionen auf Verletzungen einer sozialen Norm wie die Einhaltung von Umwelt- oder Plagiatsstandards oder Verstösse gegen sozial erwünschtes Verhalten wie politische Korrektheit.
Mehr Menschen erreichen
Wieso sollten sich Verfasser von Hassposts, die ihren Protest als moralische Pflicht rechtfertigen und sich für eine gerechte Sache einsetzen, verstecken, fragt Stahel. Zudem könne ein Online-Hasser davon ausgehen, dass sein aggressives Verhalten kaum je geahndet wird. Es werde als sehr unwahrscheinlich erachtet, dass ein viel beschäftigter Politiker oder ein angeschlagenes Unternehmen gerade ihn verklagen würde, wenn eine ganze Flut von Beleidigungen die Betroffenen überschwemmt habe.
Ein weiterer Punkt, warum Hassposter sich nicht in der Anonymität verstecken würden, sei die Möglichkeit, unter richtigem Namen mehr Mitmenschen für ihre Sache gewinnen zu können. Dadurch würden sie Risikobereitschaft signalisieren, um ihre Meinungen öffentlich kundzutun und sich so einen Vertrauensbonus erarbeiten. Im Idealfall könne dies ihren sozialen Status erhöhen, da sie sich in digitalen Netzwerken wie Facebook in «Freundeskreisen» bewegen würden, in denen ihre Äusserungen dank «Shares» und «Likes» widerhallen. «Die Abschaffung der Anonymität führt daher nicht automatisch zum Verschwinden von Hass-Stürmen, sondern möglicherweise gar zu deren Zunahme», sagt Lea Stahel.




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