Bewegtbild-Marketing 05.02.2015, 17:32 Uhr

Mit Youtube-Werbung ins Big Business

Wer mit Bewegtbildwerbung im Internet erfolgreich sein will, kommt an der Google-Tochter Youtube nicht mehr vorbei.
Youtube Logo
(Quelle: shutterstock.com/360b)
Wenn ich gross bin, werde ich You­tube-Star: Sie heissen Sami Slimani und Daaruum und sind bei den 15- bis 25-Jährigen bekannter als so mancher Popstar. Mit ihren Lifestyle-Kanälen erreichen sie je gut eine Million Abonnenten. Slimani und Daarum stehen stellvertretend für eine neue Generation kreativer Video-Macher, die für die junge Zielgruppe zum Influencer geworden ist. Die Popularität der beiden machte sich Google im Herbst 2014 zunutze. Eine crossmediale Kampagne sollte Werbungtreibenden den Stellenwert der Testimonials als Multiplikatoren aufzeigen.
Viel Überzeugungsarbeit muss Google dafür nicht leisten. Mit fast 40 Millionen Usern in Deutschland ist Youtube als Werbeplattform im Web und laut Comscore gemessen an der Zahl der täglichen Suchanfragen die zweitgrösste Suchmaschine der Welt - nach Google. Viel Reichweite also, die Begehrlichkeiten weckt, nicht nur aus SEO-Gründen. Denn seit 2007 können Betreiber eines ­eigenen Kanals ihre Videos auf Youtube mit Werbung monetarisieren. Neben einem eigenen Channel empfiehlt Jörg Ulrich, Senior Adwords Account Manager bei der Agentur Adseed.de, ein Google-Adwords-Konto, um Textanzeigen oder Instream-Werbung zu platzieren und zu verwalten.

Kombination aus Ton und Bild

Abgerechnet wird nach Cost per Click (CPC) oder Tausend-Kontakt-Preis (TKP). Youtube eignet sich für Branding- und Performance-Kampagnen. Christoph Seehaus zufolge ist die Plattform allerdings der ideale Kanal, um Markenbekanntheit und Werbeerinnerung zu steigern. "Die Kombination aus Ton und Bild verknüpft die Markenbotschaft sehr gut mit Emotionen, die sich so besser im Gedächtnis der Nutzer verankern", erklärt der Youtube-Spezialist bei Eprofessional.
Die Wahl des Werbeformats hängt unter anderem von der Zielgruppe und dem Budget ab. Wenn es um das effektivste Preismodell geht, empfiehlt Ulrich True-View-Formate. Hier können User Video-Anzeigen nach fünf Sekunden überspringen. Werbungtreibende zahlen bei Cost per View (CpV) nur dann, wenn der Nutzer die ­Anzeige auch ansieht. Der grosse Vorteil: Die User entscheiden sich freiwillig und aktiv für die Youtube Werbung. Mittlerweile können, laut Youtube, inzwischen 75 Prozent der In-Stream-­Anzeigen übersprungen werden. Die Möglichkeit, beim Konsum von Youtube Werbung selbst zu bestimmen, kommt beim User an: Einer Studie von Thinkinsights und Google zufolge haben True View Ads eine 2,8-fach höhere Werbewirkung als Pre-Roll Ads.

Mehr Planung für Agenturen und Kunden

Youtube hat mehr als eine Million Werbungtreibende, von Sony über die Allianz bis hin zu Parship.de. Auch für Media-Agenturen wie PHD Germany ist Youtube Werbung eine wichtige Säule in der Bewegtbild­planung. "Bis dato aber fehlte aufgrund der Thematik, dass Youtube in der Agof nicht abbildbar ist, jegliche valide Information über effektive Zielgruppen-TKPs und -reichweiten", kritisiert Andreas Marx, Account Director Division Insights und Strategy.
Eine Kooperation mit der Google-Tochter soll das ändern. Youtube stellt PHD aktuelle Reichweitendaten für verschiedene Zielgruppen und Laufzeiten zur Verfügung. Die Informationen fliessen in das PHD-Planungssystem Source ein. So kann die Agentur Werbekunden beispielsweise die Frage beantworten, wie viel Prozent einer Zielgruppe über True View in einer Woche erreicht werden können. Zudem erhält PHD von Youtube, für mögliche Werbezwecke, den durchschnittlichen Cost per View und die prozentuale View-Through-Rate.
Produkte wie das Planungs-Tool PHD profitieren derzeit von zwei Trends: ­Bewegtbild und damit auch Youtube Werbung, ist im Moment der Wachstums­treiber, nicht nur im Nutzungsverhalten, sondern auch bei den Online-Display-Werbeumsätzen.Laut Online Vermarkterkreis (OVK) gaben Firmen allein im ersten Halbjahr 2014 für Pre-Rolls 121 Millionen Euro brutto aus, 23,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Prognostiziert wird weiter ein deutliches zweistelliges Wachstum.
Eine andere Entwicklung, von der das Youtube-Business profitiert, nennt Roman Hilmer: "Wir merken, dass es für Marken immer schwieriger wird, über ­Facebook hohe Reichweiten zu erzielen", so der Managing Director bei der Agentur Fork Unstable Media. "Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass gerade die junge Zielgruppe durch die smarte Einbindung von Youtube-Stars angesprochen werden kann", meint Hilmer. Er ist sich sicher, dass sich das in diesem Jahr intensivieren wird, da sich die Protagonisten zunehmend professionalisieren.

Netzwerke als Vermittler

Dass die neue Generation junger Medienmacher ihr Hobby zum Beruf machen konnte, ist vor allem Multichannel-Netzwerken (MCN) wie Divi­move zu verdanken. Sie gehen Partnerschaften mit Youtubern ein und produzieren, verwalten und vermarkten deren ­Inhalte und Kanäle. Werbe-Deals bringen allen Beteiligten das meiste Geld. Die Netzwerke bündeln Kanäle und verfügen so über eine hohe Reichweite. Hinzu kommt, dass die Netzwerke einzelne ­Kanäle gezielt vermarkten und nicht die gesamte Youtube-Plattform. Das soll ein sicheres Werbeumfeld garantieren, das teurer vermarktet werden kann.
Die Netzwerke verhandeln selbstständig mit Werbepartnern, das Angebot reicht von Bannern bis zu Product Placement. Am lukrativsten ist das Geschäft immer noch für Google: Egal ob der Content-Produzent unabhängig ist oder zu einem Netzwerk gehört, 45 Prozent der Anzeigenerlöse gehen an den Konzern. Die 55 Prozent der Einkünfte, die nicht an Google ­gehen, teilen sich Netzwerk und Youtuber.
Oft kommt nicht mal ein Drittel der tatsächlich Einnahmen durch Youtube Werbung beim Youtuber an. Kanalbetreiber mit grosser Reichweite können trotzdem mehr als gut davon leben. Gamer Gronkh mit über drei Millionen Abonnenten verdient im Monat mehr als 75.000 Euro, so schätzt das Verbraucherportal Vergleich.org.

Netzwerke in der Kritik

Reichweite, Brand Safety, klare Zielgruppe: Die Vorteile von MCN für Werbungtreibende sind verlockend. In den vergangenen Monaten musste sich aber vor allem das populäre Netzwerk Mediakraft der Kritik stellen. Stars wie Le Floid, Unge oder Ape Crime verliessen begleitet von grossem Medienecho das Netzwerk. Unges Vorwürfe: Ausbeutung und Knebelverträge. Auch wenn Mediakraft-CEO Spartacus Olsson auf Facebook öffentlich Stellung nahm, ist der Imageverlust dennoch gewaltig. Hinzu kommt: Auch Vermarktungschef Jan Schlüter sowie Mitgründer und President Christoph Krachten haben das kriselnde Youtube-Netzwerk verlassen.
Dass davon nun Werbungtreibende nachhaltig abgeschreckt werden, glaubt Video-Advertising-Berater Bertram Gugel nicht. "Kurzfristig hilft es der Vermarktung nicht, mittel- bis langfristig gehe ich aber davon aus, dass es der Branche nützt, da wichtige Dinge wie der Wert eines Netzwerks geklärt werden und es für mehr Transparenz sorgt", so Gugel.
Zudem zeigen die Auseinandersetzungen der Werbungtreibenden auf Youtube, wie stark diese die öffentliche Meinung beeinflussen können. Auch Seehaus erwartet keine sinkende Attraktivität, denn die "Aussteiger" wollen weiterhin Video-Inhalte unabhängig von Netzwerken erstellen. "Sie bleiben Youtube und den Werbungtreibenden erhalten", so der Experte. "Den Aufrufzahlen ihrer ­Videos wird dies auch nicht schaden, da die Nutzer stärker an den Youtubern und deren Inhalten interessiert sind als an ­deren Zugehörigkeit zu einem Netzwerk." Er ist sich sicher, dass die zusätzliche ­mediale Aufmerksamkeit Youtube daher eher zugutekommen wird.

Youtuber werben für die TK

Wie erfolgreich Youtuber als Meinungsführer tatsächlich sind, bewies die Techniker Krankenkasse (TK) im November 2014. Die 360-Grad-Kampagne "Mein Weg" richtete sich an junge Erwachsene, um sie vom Thema Gesundheit zu begeistern. Die TK setzte dabei zusammen mit Endemol Beyond und Fischer Appelt auf angesagte Video-Künstler wie Le Floid. Der Youtuber mit über zwei Millionen Abonnenten ­erzählt in der Youtube Werbung, wie ein Unfall seinen Traum Chirurg zu werden platzen liess.
Auf Facebook und Twitter werden die User unter #wireinander aufgerufen, ihre eigenen Geschichten zum Thema Gesundheit zu ­erzählen. Die Kommunikation auf Augen­höhe kommt an: Auf Youtube hat der Clip bereits über 1,4 Millionen Views; es gab über 85.000 Likes. Die TK ist längst nicht mehr der einzige Werbungtreibende auf Youtube, der auf Testimonial setzt. Coca-Cola etwa kooperierte mit Y-Titty und Sami Slimani, Hyundai mit Nilz Bokelberg.
Beim Thema Vermarktung warnt Berater Gugel aber grundsätzlich vor einer Kommerzialisierung der Clips. "Die Glaubwürdigkeit ist mit eines der grössten Assets eines Youtube-Stars, von daher ­sollte er diese nicht leichtfertig aufs Spiel setzen." Für ihn bewegen sich Online-Content-Produzenten, die Produktplatzierungen vornehmen, auf einem schmalen Grad. "Wenn die Produkte nicht überzeugen oder die Werbung zu aufdringlich ist, riskieren sie ihre gesamte bisherige Leistung", mahnt Gugel.
Das kratzt dann nicht nur am Image der Youtuber, sondern schlägt sich auch auf die Produkte und Marken negativ nieder. Beim Netzwerk Divimone sieht man naturgemäss keine Gefahr durch Kommerzialisierung. "Ein Online-Video-Talent wird nicht für eine einzelne Kam­pagne seine über Jahre aufgebaute Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen", glaubt Philipp Bernecker, Mitgründer von Divimove. Er rät bei Youtube Werbungen, nur mit einer Marke ­zusammenzuarbeiten, wenn sie sich mit dieser identifizieren können und die ­Kooperation auch offenlegen.



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