Teure Fehlkalkulation? 09.09.2014, 09:44 Uhr

Historische Rechenmaschine für 233'000 Euro

Gab es bei der Versteigerung eines Arithmometer einen Fehler, der den Auktionspreis in die Höhe trieb? Der Schweizer Informatiker Herbert Bruderer meint wahrscheinlich schon.
Thomas-Arithmometer aus Paris. Ein Meilenstein in der Geschichte der Rechentechnik: Das am 28. Januar 2014 in der Kulturgütersammlung der ETH Zürich aufgetauchte 150-jährige Thomas-Arithmometer, eine mechanische Vierspezies-Staffelwalzenmaschine © Herbert Spühler, Stallikon
Herbert Bruderer, ehemaliger Dozent am Departement Informatik der ETH Zürich, hat die Sache in einem Beitrag untersucht. Er schrieb dazu den folgenden Fachbeitrag:
 
 
Das bekannte Kölner Auktionshaus Breker (www.breker.com) hat im November 2013 ein Thomas-Arithmometer für sagenhafte 233 000 Euro verkauft. Das Gerät wurde von dem aus Colmar stammenden Charles-Xavier Thomas gebaut. Er war Inhaber von zwei Versicherungsgesellschaften in Paris und bot die weltweit erste in Serie hergestellte Rechenmaschine an, das Arithmometer. Es beherrschte alle vier Grundrechenarten. Das versteigerte Exemplar ist ein Schmuckstück, es steckt in einem prächtig verzierten Holzkasten. Angeblich wurde es 1835 gefertigt, so war es jedenfalls angekündigt. Damit wäre es eines der ältesten erhaltenen und damit kostbarsten Arithmometer.
 
Ein folgenschwerer Irrtum?
Im Heft 97 der Zeitschrift Historische Bürowelt vom September 2014 weist nun Valéry Monnier aus Osny (Frankreich) nach, dass die Datierung irrtümlich ist und dass Maschine und Gehäuse nicht zusammen passen. Der wohl beste Kenner der Thomas-Staffelwalzenmaschinen (www.arithmometre.org) kommt in einer aufwendigen Untersuchung zum Schluss, dass das Gerät 1863 gefertigt wurde. Damit entspricht es dem am 28. Januar 2014 in der Kulturgütersammlung der ETH Zürich gefundenen Modell. Beide lassen sich durch die Formel 5x0x10 (5 Stellen im Einstellwerk, kein Umdrehungszählwerk, 10 Stellen im Ergebniswerk) beschreiben und weisen denselben Stempel auf, ein Zubehörfach ist nicht vorhanden. Das Gerät der ETH trägt die Seriennummer 507 und ist damit etwas älter als das Kölner Exemplar mit der Seriennummer 541. Das Baujahr wurde laut Monnier auf Brekers Webseite nachträglich geändert. Der Holzkasten mit Boullescher Einlegearbeit war wahrscheinlich für die Modelle 1850/1852 bestimmt. Er ist für die Ausgabe von 1863 zu klein, so dass die Maschine gestutzt werden musste. In den 1850er Jahren schenkte Thomas Arithmometer in reich geschmückten Luxuskästen dem Papst und manchen Königen, was ihm zahlreiche Orden einbrachte. Rätselhaft ist, warum, wie und wann es zu dieser merkwürdigen Verbindung zwischen dem ungeeigneten Kasten und dem Gerät kam.
 
Das Alter vieler mechanischer Rechenmaschinen ist schwer zu bestimmen. Wichtige Merkmale sind beim Arithmometer laut Monnier die Seriennummer, die Form des Stempels und die (heikle) Mechanik des Zehnerübertrags. Weitere Kennzeichen wie die Form des Umschalters (Wechsel zwischen den Grundrechenarten), das Fehlen eines Umdrehungszählwerks oder eines Zubehörfachs sind nicht immer eindeutig und können zu falschen Annahmen führen.
 
Arithmometer auf der Londoner Weltausstellung für 6 Pfund
Thomas stellte sein Arithmometer 1851 auf der ersten – sehr erfolgreichen – Weltausstellung im Kristallpalast im Londoner Hyde Park aus. Auch im Katalog der Londoner Weltausstellung von 1862 ist die Maschine abgebildet. Nach einer am 4. September 2014 in der Bibliothek der ETH Zürich gefundenen ganzseitigen Anzeige kostete ein zehnstelliges Arithmometer 6 Pfund. 1862 war das ein stolzer Betrag, bescheiden aber im Vergleich zu dem in Köln erzielten Preis. Das zehnstellige Modell war, soweit bekannt, das billigste und meist verbreitete Gerät. In Frankreich war es für 150 Francs erhältlich.

Buchhinweise
Neue Funde historischer Rechengeräte werden beschrieben in:

Herbert Bruderer: Konrad Zuse und die Schweiz. Wer hat den Computer erfunden? Walter de Gruyter, Berlin/Oldenbourg-Wissenschaftsverlag, München 2012

Herbert Bruderer: Meilensteine der Rechentechnik. Zur Geschichte der Mathematik und der Informatik, Walter de Gruyter, Berlin/Oldenbourg-Wissenschaftsverlag, München 2015



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