Die richtige Zielgruppe 06.03.2017, 13:10 Uhr

E-Mail, SMS oder WhatsApp: Wer kommuniziert wo?

E-Mail, SMS oder WhatsApp: Es gibt viele Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren. Die spannende Frage für Werbungtreibende ist: Wer nutzt eigentlich welchen Kanal?
(Quelle: Shutterstock.com/PopTika)
Von Raoul Fischer
Die Nutzung ist in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. 37 Millionen Deutsche - über 60 Prozent der Internet-User - chatten regelmässig über Whats­App mit ihren Freunden, Verwandten und Bekannten. Zum Vergleich: Den Facebook Messenger nutzen neun Millionen Deutsche, ebenso Skype. Auf Apple iMessage greifen fünf Millionen Menschen regel­mässig zu, auf Google Hangouts immerhin noch drei Millionen.
Die Messenger haben sich in den letzten Jahren in der Kommunikation der Verbraucher also eingenistet und manchen etablierten Kanal zurückgedrängt. "Wenn man danach geht, in welchen sozialen ­Medien die User monatlich aktiv sind, sind die Top-Kommunikationskanäle WhatsApp und Facebook", sagt Torsten Oppermann, Managing Director bei Delasocial.
Bei Advertisern weckt dies Begehrlichkeiten. Allerdings betreten sie auch ein schwieriges Gelände, weil sie sich hier in den direkten Dialog mit Einzelpersonen oder Gruppen begeben. Es lohnt sich für Unternehmen deshalb, einen ­genauen Blick darauf zu werfen, wo ­eigentlich welche Altersgruppen kommunizieren und wie sie die verschiedenen Angebote nutzen.
Die klassische SMS zum Beispiel ist auf dem Rückzug. Wurden 2012 noch 60 Milliarden SMS verschickt, waren es 2016 ­gerade noch 15 Milliarden. Aber auch ­Facebook zeigt, dass sich die Akzeptanz ändern kann. Es gibt zwar noch 24 Millionen aktive Nutzer. Aber gerade für jüngere Zielgruppen belegen Studien, dass diese, wenngleich sie noch ein Facebook-Profil haben, ihre aktive Kommunikation in ­geschlossene Gruppen auf WhatsApp & Co. verlagern. "Facebook erfreut sich trotzdem in Deutschland nach wie vor hoher Beliebtheit", erklärt Arne Bippes, Geschäftsführer der Digital-Agentur Bippes-Brandão in Offenbach. Auch 2017 führe für Werber kein Weg an der Plattform vorbei, auch deshalb, weil es auf so viele verschiedene Werbemöglichkeiten gebe.

E-Mail-Aufkommen steigt seit zwanzig Jahren

Aber wie geht es etablierten Kanälen wie E-Mail oder Telefon? Teilen diese das Schicksal der SMS? Keineswegs. Eine aktuelle Datenanalyse der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zeigt, dass das E-Mail-Aufkommen in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gestiegen ist und 2017 sogar auf über 730 Milliarden Mails springen soll - von 625 Milliarden im Jahr 2016, und zwar ohne Spam! Eine weitere Auswertung auf Statista belegt, dass in Deutschland 90 Prozent der Erwachsenen E-Mail nutzen, und das bis über das Pensionsalter hinaus.
"Die E-Mail hat kommunikativ noch immer einen hohen Stellenwert. Ohne eine E-Mail-Adresse kommt man nicht weit. Ob die Einrichtung eines Smartphones, ein Termin beim Amt, Online-Bestellbestätigungen oder Newsletter: All diese Dinge gehen nur per E-Mail", erklärt Clever­reach-Geschäftsführer Christian Schmidt, ein Dienstleister aus Rastede bei Bremen, der E-Mail-Marketing-Lösungen anbietet.

Je jünger die User desto mobiler der Kanal

Auch das klassische Telefonat hat längst noch nicht ausgedient. "Das ist persönlicher als jede Form von schriftlicher Kommunikation und deshalb immer noch am Wichtigsten", glaubt Christian Wilkens, Chief Digital Officer bei der Media-Agentur Mediacom. Und tatsächlich - auch junge Zielgruppen sieht man mit dem Handy telefonierend durch die Stadt laufen. Allerdings: Inzwischen werden für das Telefonieren vor allem dort, wo es WLAN gibt, auch gerne die entsprechenden Funktionen der Messenger genutzt.
Grundsätzlich lässt sich für die Kommunikation  sagen: "Je jünger die Nutzer, desto mobiler die Mediennutzung. In der sehr jungen Zielgruppe ist Mobile der First Screen. Snapchat lässt sich beispielsweise den Nutzern unter 20 zuordnen. Es hat in dieser Altersgruppe in der Nutzung bereits Facebook überholt", erklärt Mediacom-CDO Wilkens.
Facebook sei dagegen erwachsen geworden. Der höchste Nutzeranteil liege in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen. Die 45- bis 54-Jährigen sind hier inzwischen ähnlich aktiv wie die 18- bis 24-Jährigen. Manfred Klaus, Sprecher des Fachkreises Online-Mediaagenturen (Foma) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), erklärt dieses Phänomen so: "Allgemein gilt, dass bestimmte Alterskohorten Kanäle bevorzugen, in denen sie zuerst 'sozialisiert' wurden", sagt der Geschäftsführer der Media-Agentur Plan Net. Bei den Teens seien es Messenger, bei den Millenials Social Networks und bei den Älteren überwiegend E-Mail.
Dass neue Kanäle unter jüngeren Nutzern schneller Akzeptanz finden als unter älteren, liegt an deren höherer Experimentierfreudigkeit. Es dauert, bis die neuen Plattformen von älteren Zielgruppen genutzt werden. Klaus: "Das ist immer eine Momentaufnahme. Auch E-Mail und mobiles Internet haben Jahre gebraucht, um sich in allen Altersgruppen zu etablieren."

Gebildete User legen Wert auf Interaktion

Doch lassen sich die Kanäle nur nach ­Alter zuordnen oder gibt es weitere Merkmale? Was das Geschlecht betrifft sind viele Berater eher skeptisch, weil weibliche und männliche Nutzer auf den meisten Kanälen gleich verteilt seien. Ein wichtiges ­Unterscheidungsmerkmal stellt allerdings die Bildung dar. "Personen mit einem niedrigeren Bildungsstand sind häufig auf sozialen Kanälen unterwegs, die eher ­einen Konsumcharakter haben, wie Youtube oder Snapchat", sagt Björn Wenzel, Gründer und Geschäftsführer von Lucky Shareman. Menschen mit einem höheren Bildungsgrad sind oft aktiver in sozialen Medien, die Wert auf Kommunikation, ­Interaktion und Content-Kreation legen. Dazu zählen beispielsweise Facebook und Twitter.
Werbungtreibende sollten deshalb vor allem zwei Tipps im Blick haben. "Sie dürfen nicht vom Kanal ausgehen", sagt ­Wenzel von Lucky Shareman. Es sei nicht besonders sinnvoll, beispielsweise unbedingt Snapchat ausprobieren zu wollen. Die Frage müsse vielmehr lauten: Über welchen Kanal und welche Mechaniken finde ich die richtige Zielgruppe? "Grundsätzlich gilt es, sich an den Charakter des jeweiligen Kanals anzupassen. Aber auch das gewählte Format spielt eine Rolle", sagt Bippes-Brandão-Geschäftsführer Arne Bippes. Eine grosse Herausforderung bestehe auch darin, die Inhalte entsprechend anzupassen.

Vorsicht bei WhatsApp

Das gilt besonders für Whatsapp. Eben weil es sich hier um einen Kanal für die ­direkte private Kommunikation handelt, müssen Werbungtreibende vorsichtig sein. Eine Nachricht erreicht immer nur eine Person oder eine eingeschränkte Gruppe, zu der die Nutzer zuvor hinzugefügt werden - und aus der sie auch schnell wieder austreten können. Platte Werbung funktioniert da nicht. Wohl aber Informationen, Services oder Aktionen, die dem User einen  Nutzwert versprechen oder ihn unterhalten.
Ähnliche Mechanismen gelten auch für Snapchat. Der Kanal ist im Prinzip - wie WhatsApp - auch nur ein Messenger-Dienst und wird entsprechend genutzt. Aber im Unterschied zu anderen Messengern bietet Snapchat einzelne kreative Möglichkeiten für Marketing, die jedoch vom Absender ein hohes Verständnis für den Kanal erfordern. Weil Snapchat besonders jüngere Zielgruppen anspricht, muss die Präsenz eines Markenartiklers hier anders gestrickt sein: schneller, lauter, flippiger.
"Mancher muss dann über seinen eigenen Schatten springen und sich an eine Kommunikationsform anpassen, die für ihn womöglich ungewohnt ist", sagt ­Foma-Sprecher Manfred Klaus. Und er sieht für Messenger noch eine andere ­Zukunft: Chatbots könnten dort eine interessante Einsatzmöglichkeit finden.
So alte Kanäle wie das Telefon wird es dann aber trotzdem noch geben.




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