Beispiele aus der Praxis 22.06.2016, 23:50 Uhr

Wie Bots Marketing und E-Commerce verändern

Ob Shopping, Wetter oder News: Bots bestimmen seit Wochen die Medien. Was steckt hinter den kleinen Helferchen und können sie tatsächlich schon Menschen weiterhelfen?
(Quelle: Shutterstock.com/Ne2pi)
Ein Aufschrei ging durch die digitalen Weiten, als im März 2016 Microsofts Chatbot "Tay", der mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet war, innerhalb weniger Stunden vom lernenden Assistenten zum Feministinnen hassenden Neonazi wurde. Tay scannte die Tweets anderer Nutzer und sollte lernen, wie ein amerikanischer Jugendlicher zu kommunizieren. Allerdings übernahm der Bot den Rassismus, mit dem er durch entsprechende Tweets gefüttert wurde, in sein eigenes Verhalten, sodass Microsoft nach kurzer Zeit die Reissleine ziehen musste.
Bots analysieren den Kontext von Nutzernachrichten und reagieren darauf. Das kann wie bei "Tay" ein simulierter Teenie-Chat sein oder - in einem anderen Kontext - eine Hotelempfehlung, wenn in der Konversation vorher eine geplante Reise erwähnt wurde.
"Man sollte nichts verschlimmbessern und komplizierter machen, nur um einem Hype zu folgen", meint Max Orgeldinger, Digital-Stratege und Consultant der Digital-Agentur "Torben, Lucie und die gelbe Gefahr".
Bis die Software-Agents tatsächlich die Kommunikation zwischen Nutzer und Unternehmen vereinfachen und simple Prozesse ohne menschliche Hilfe automatisiert durchführen, dürfte noch Zeit vergehen. "Die künstlichen Intelligenzen, die wir gerade nutzen, sind in ihrem Können sehr weit eingeschränkt. Sie können eine Sache sehr gut, sind aber von echter Intelligenz weit entfernt", ­bestätigt Max Orgeldinger. Er arbeitet als Digital-Stratege und Consultant bei der Digital-Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG) und beschäftigt sich spätestens seit der diesjährigen Facebook-Entwicklerkonferenz eingehend mit Bots. Dort gab Mark Zuckerberg bekannt, dass Bots und KI in Zukunft eine wichtige ­Rolle im sozialen Netzwerk spielen sollen.

Das Streben nach menschlicher Intelligenz

Bots - die Abkürzung für Roboter - gibt es seit mehr als einem halben Jahrhundert. Sie treten in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen auf. Selbst die Technik hinter der Google-Suche ist nichts anderes als ein Bot, der Internet-Seiten nacheinander besucht und deren Inhalte analysiert.
1950 entwickelte der britische Mathematiker Alan Turing einen Test, mit dessen Hilfe man feststellen kann, ob es sich beim Gegenüber um einen Menschen oder eine Maschine handelt. Dafür unterhält sich ein Mensch, ohne Sichtkontakt zu haben, per Computer mit einem Bot und einem Menschen. Wenn der Fragesteller nach dem Interview nicht eindeutig sagen kann, welcher der Antwortenden der Mensch ist, hat die Maschine den Turing-Test bestanden. Bislang ist das noch keiner KI im vollen Umfang gelungen.
Obwohl also noch keine Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen erbringen konnte, zeigen Maschinen in beschränkten Einsatzgebieten gute Leistungen. Wer als Shop-Betreiber oder Publisher überlegt, einen Bot in die eigene Seite oder in den Facebook Messenger zu integrieren, sieht sich schnell mit der ­Frage der Entwicklung konfrontiert. Grosse Kosten und hoher Personalaufwand sind für einen simplen Chatbot, der nur auf ausgewählte Schlüsselbegriffe (zum Beispiel Wetter, München, Freitag) und klare Frage-Antwort-Strukturen (Möchtest du alle News aus dem Wirtschaftsressort erhalten? Ja / Nein) reagiert, nicht zu erwarten.
"Mit einem fähigen Entwickler an ­deiner Seite ist das kein Hexenwerk", sagt Florian Mayer. Er arbeitet als Affiliate ­Publisher und hat gemeinsam mit einem Kollegen für das Jobportal Jobmehappy innerhalb eines Wochenendes den Code für die erste Version eines Messenger Bots geschrieben. Der Vorteil, den grosse Plattformen wie Facebook und Google bieten, sind die vorhandenen Code-Libraries. Das heisst, dass bereits ein Grundgerüst für den Bot zur Verfügung gestellt wird und er nur noch individuell angepasst werden muss.
Allerdings dürfen Publisher oder Werbungtreibende nicht hoffen, dass diese ­Basisversion eines Bots alleine hinzulernt oder neue Fähigkeiten erlangt. "Wer auf Messenger-Bots bei Facebook setzt, kann nur hoffen, dass die Plattform schlauer wird. Der Bot bleibt erst mal so dumm, wie er ist", bremst TLGG-Mann Orgeldinger alle Hoffnungen als verfrüht aus.




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